Theo, der Straßenbahn-Fan

Eigentlich war es ein Scherz

Ich habe es oft gesagt, aber eigentlich mehr scherzhaft. Wenn Theo mit mir an der Straßenbahnhaltestelle steht und voller Kraft an der Leine zieht – Richtung Einstieg Straßenbahn. Oder voller Elan hineinspringt, wenn „unsere“ Bahn die Tür öffnet. Wenn sich dann die Menschen über seinen Enthusiasmus wunderten, habe ich immer wieder gesagt: „Ich glaube, wenn der mir mal abhaut, dann muss ich die Stadtwerke anrufen, ob aus irgendeiner Straßenbahn ein Welsh-Terrier ohne Begleitung gemeldet wird.“

Theo fährt Straßenbahn wie ein Alter

Hund Theo in der Straßenbahn - zum ersten Mal im Leben © Susanne Böhling
Hund Theo in der Straßenbahn – zum ersten Mal im Leben © Susanne Böhling

Ich habe mich darüber gefreut, denn Theo kannte in seinem vorhergehenden Leben nichts vom Straßenbahnfahren. Aber direkt an dem Abend, nachdem ich ihn mitgenommen hatte, aus seinem früheren Zuhause, dem Zwinger vom Delissenhof, da habe ich auf dem Rückweg von Hüls die Straßenbahn genommen und er ist eingestiegen und mitgefahren, als wäre es das Selbstverständlichste von der Welt. Darüber habe ich schon geschrieben. Es zeugt von seinem guten Wesen.

Theo kennt kein Kommando für “Komm”

Und eine Gelegenheit abzuhauen, gebe ich ihm ja nicht. Bei uns in der Stadt herrscht Leinenzwang. Ich halte mich brav daran. Denn Theo kannte aus seinem früheren Leben weder ein Kommando für „Komm“ noch einen entsprechenden Pfiff – genauso wenig wie Straßenbahnfahren. Okay, wenn wir mal so ganz alleine unterwegs gewesen sind, an einer Hundefreilaufwiese oder er mit seinem Neffen Johnny, der bei meiner Tochter lebt, toben konnte, dann habe ich es schon mal riskiert. Aber um Himmelswillen nicht bei mir, mitten in der Stadt! Die vielen Pommes, die halben Brötchen, die die Menschen hier so verlieren, er würde sie alle fressen, bekäme Durchfall und würde sich erbrechen.

Durch Unaufmerksamkeit riskiere ich, dass Theo überfahren wird

Und dann am Donnerstag. Hatte ich einen sehr bewegenden Vormittag. Und nachdem ich den Rechner runter gefahren hatte, wollte ich kurz mit ihm Gassi gehen. Gedankenverloren steige ich die Treppen herunter und anstatt vor der Haustür innezuhalten und ihm die Leine anzulegen, öffne ich – völlig in Gedanken! – die Tür … und Theo gibt – geistesgegenwärtig – Gas! Rennt im Galopp aus der Tür in die Fußgängerzone, driftet in einer scharfen Linkskurve Richtung Hansazentrum, schaltet noch mal einen Gang höher, rast durch das Hansazentrum, Richtung Straßenbahnhaltestelle! Ich haste hinterher ohne die geringste Chance ihn einzuholen … meine Rufe verhallen ungehört., egal ob energisch oder kläglich. Also ungehört von ihm. Alle anderen Passanten drehen sich nach mir um und schauen verwundert … bis schadenfroh. Ich habe Angst. Aber nicht vor Blamage. Angst, dass er weiter rennt, Richtung Straße, und er von einem Bus oder Auto überfahren wird.

Die dramatische Verfolgungsjagd endet. Es ist gerade keine Straßenbahn da

Aber er bleibt an der Straßenbahnhaltestelle, drosselt das Tempo. Dort endlich, hält er inne, wundert sich wahrscheinlich, dass da keine Bahn steht. aber einholen lässt er sich nicht, jetzt spielt er begeistert Fangen mit mir … „Du kriegst mich doch nicht!“ teilt er mir hüpfend und Haken schlagend mit. Mir ist nicht nach Spielen.

Plötzlich interessiert er sich für eine fremde Frau, die ihm die Hand zum Schnuppern hinhält, so dass ich ihm die Leine umlegen kann. Ich bedanke mich und atme durch. Ich bin so froh, dass gerade keine Straßenbahn da war. Womöglich wäre er hineingehüpft, die Türe hätte sich vor meiner Nase geschlossen und weg wäre er gewesen. Was ich im Scherz behauptet hatte, wäre sicher wahr geworden. Kaum auszudenken.

© Susanne Böhling

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Es ist möglich: Verständnis für Hundehaufen …

— aber das nützt nur bedingt

Meine Beobachtungen führen zu Verständnis

Es war durchaus ernst gemeint. Dass es vielleicht ernste, nachvollziehbare Gründe gibt, warum so viele Hundehaufen rumliegen. Beispielsweise auf dem Alexanderplatz in Krefeld Innenstadt. Da würde man beim Flanieren gern die bezaubernden Gründerzeitfassaden betrachten. Aber Vorsicht! Tretminen. Das finde ich ärgerlich und als eine Hundehalterin, die sorgfältig jeden Haufen ihres Lieblings beseitigt, um so schlimmer. Aber: Bei unseren Spaziergängen fallen mir immer mehr Menschen auf, die körperlich eingeschränkt sind, die am Rollator gehen oder im Rollstuhl sitzen – und einen Hund haben. Denen möchte ich das Recht auf so einen Hausgenossen beileibe nicht absprechen, weiß ich doch selbst, wie viel der zur seelischen Ausgeglichenheit beitragen kann. Aber dass die sich bücken um die Haufen aufzuheben? Dürfte ihnen schwer fallen. Oder schlicht unmöglich sein. Und da muss dann sogar ich Verständnis haben.

Der Alexanderplatz im Sonnenlicht - Gründerzeitfassaden in ihrer ganzen Pracht
Der Alexanderplatz im Sonnenlicht – Gründerzeitfassaden in ihrer ganzen Pracht. © Susanne Böhling

Da will ich Verständnis zeigen und es kommt falsch an

Das dachte ich mir auch, als ich auf dem Ostwall sah, wie ein Hund – Format Dalmatiner – den Rücken krumm machte, um sich zu lösen (so heißt das in Jägersprache, klingt feiner, stinkt aber nicht weniger). Und sein Herrchen flotten Schrittes davon strebte. „Sehr schlau”, dachte ich mir. “So kriegt er nicht mit, was sein Köter da macht und kann ihn später in aller Unschuld zu sich pfeifen.” Skandalös. Aber – siehe oben – und das sagte ich dann auch zu einem dritten Hundehalter, der sein Tier an der Leine führte: „Vielleicht hat es der junge Mann ja im Kreuz.“

Es war nicht ironisch gemeint! Aber …

Was der junge Mann nicht überhören konnte. Worüber er sich erst ziemlich aufregte. Ich fürchtete schon, er würde mir eine reinhauen, so aggressiv kam er rüber. Aber dann erklärte er: „Sonst macht sie nur einen Haufen – und ich hatte nur eine Tüte dabei.“ Er wollte also –flotten Schrittes – lediglich zur nächsten Hunde-Station um sich dort eine Tüte für den zweiten Haufen zu holen. Da konnte ich seinen Unmut verstehen und habe ich mich schlicht und aufrichtig entschuldigt. Der junge Mann war viel zu aufgebracht, um sich meine eingangs geschilderten Betrachtungen als Begründung für meine Bemerkung anzuhören. Und als wir uns heute Morgen erneut begegnet sind, haben wir uns ganz freundlich gegrüßt.

© Susanne Böhling

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Irgendwann hat Theo genug vom Warten

Als ihm das warten zuviel wurde, hatte er einen Einfall …

Theo wartet und passt auf den Korb auf

Warten beim Arzt

Es war auch wirklich viel verlangt. Schon beim Corona-Schnelltest musste Theo warten. Der war negativ, also auf zum Arzt mit meiner Schniefnase. Da musste er wieder warten. Den Korb für den anschließend geplanten Marktbesuch ließ ich ihm zum Aufpassen. Das sah durchaus niedlich aus. Dauerte aber gefühlt mindestens eine Stunde und ich war mir da schon nicht sicher, ob Theo weiß, was „aufpassen“ ist.

Warten am Markt

Am Markt dann wieder warten, denn der Hund darf da nicht mit. Vor dem Eine-Welt-Laden haben sie so einen Ring vor dem Schaufenster, an dem konnte ich ihn festmachen.

Jetzt schnell zum Geflügelhändler, „ein halbes Suppenhuhn bitte“, Hühnersuppe ist immer gut gegen Schniefnase. Anschließend Äpfel und Birnen, Porree und Möhren, Sellerie hatte ich noch zuhause. „Brav hast Du gewartet Theo“, lobte ich ihn und wir setzten den Weg gemeinsam fort. Aber dann kamen wir an dem Stand mit den Kräutern und Gewürzen vorbei und da könnte ich doch mal nach Lindenblüten – gegen die Schniefnase – schauen, wäre sicher günstiger als in der Apotheke. Nur Theo musste wieder warten. Ich ließ ihm wieder den Korb zum Aufpassen.

Warten beim Gewürzhändler

Der Gewürzhändler hatte nicht nur Lindenblüten. Ich fand noch so dies und das und wunderte mich zwischendurch, Theo bellte zweimal, so wie er es sonst nie tut. Aber weil es damit auch schon getan war und es nicht in andauerndes Gekläffe ausartete, habe ich das ignoriert und weiter eingekauft. Als ich bezahlte, bemerkte ich die alte Dame an ihrem Rollator, die breit grinsend in Theos Richtung schaute.

Theo hat eine Möhre erobert und frisst sie genüsslich auf seinem Fell in der Sonne

Da sah ich die Bescherung. Sein Bellen war eine Warnung: „Wenn es jetzt hier nicht weiter geht …“ und dann hatte er sich eine Möhre aus meinem Korb geschnappt, die er jetzt in aller Ruhe verspeiste. Ihm fällt schon was ein, er ist schließlich intelligent, ich hätte es wissen können

Der Hund ist doch nicht vegan …

Das ging dann zuhause so weiter: Die Möhre, die mir beim Verstauen der Einkäufe runter fiel, schnappte er sich sofort, genau wie die Birne … und dann war ihm schlecht, er erbrach sich auf meinen Teppich und es dauerte ein paar Stunden, bis ihm wieder nach Futter zumute war.

© auch für alle Fotos: Susanne Böhling

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Mit der Hand auf einem Männerhintern für die Rechte der Frauen

Zu einer Zeit als schlecht bezahlte Journalistin

Erzählt habe ich die Geschichte schon öfter. Besonders gern anderen Frauen. Denn irgendwie fühlte sie sich ein bisschen nach Triumpf an. Und sie spielte Mitte März, also durchaus in zeitlichem Bezug zum Weltfrauentag, und zu einer Zeit da ich als Freie Journalistin für die ortsansässige Redaktion einer Tageszeitung schrieb. Ich tat das nicht des Geldes wegen – deswegen nenne ich es auch nicht „arbeiten“. Eigentlich ließ ich mich ausbeuten.

Mein Augenmerk richtete ich jedoch auf anderes: Mir wurde bestätigt, dass mein ursprünglicher Berufswunsch – Journalistin – durchaus meinen Begabungen entsprochen hätte, das allein machte mich glücklich. Ich genoss die Anerkennung, die ich für meine – durchaus frechen – Texte bekam. Jeden Tag konnte ich meine Neugiersnase irgendwo reinstecken, sie rausziehen, darüber schreiben und weiter gings. Was habe ich viele interessante Menschen getroffen! Außerdem waren die festangestellten Redakteure in der Redaktion witzig und niemals sahen sie auf mich herab, auch wenn ich in Sachen Einkommen am untersten Ende stand. Ich habe die Zusammenarbeit genossen, viel gelernt und kam mit allen gut aus.

Pantoffelheld mit Allüren

Auch wenn Redakteur H. beispielsweise durchaus Macken hatte. Er stand zuhause unter dem Pantoffel von fünf Frauen: Seiner Ex, seinen drei Töchtern und seiner gegenwärtigen Ehefrau. In der Redaktion jedoch irritierte er bei jeder Gelegenheit die Volontärinnen mit Sprüchen, die so ganz haarscharf ans sexistische grenzten und die jungen Frauen in Verlegenheit stürzten.

Mich ließ er in Ruhe. Nicht von Anfang an. Aber ich hatte seine Versuche ein paar Mal so gekontert, dass er dann derjenige war, der mit hochrotem Kopf dem Gelächter der Kollegen ausgesetzt war. Also ließ er es bleiben.

Erst nach Kaffee schauen

Dieser Kerl, fragt mich doch eines Morgens, Mitte März, ob Kaffee da sei. „Oups“, dachte ich und antwortete: „Keine Ahnung. Interessiert mich auch nicht, ich bin nämlich gleich wieder weg zum ersten Termin, ich wollte nur schnell den Schlüssel vom Redaktionsauto holen.“ Als ich den an mich genommen hatte, hielt ich inne und gab mich gnädig: „Aber weißt Du was, H., für Dich schaue ich nach.“ Ich öffnete die Tür zur Teeküche, schloss sie wieder und sagte: „Nein, kein Kaffee da!“ Damit wollte ich schon abzischen, aber H. stellte sich mir in den Weg, klimperte mit den Augendeckeln und fragte: „Machst Du welchen?“

Dann Kaffee kochen?

Das war starker Tobak. Denn ein ungeschriebenes Gesetz in der Redaktion lautete, dass niemand, egal welcher Stellung, zum Kaffeekochen verdammt und missbraucht werden dürfte. Das führte dazu, dass so gut wie jeder mal Kaffee kochte. Jeder, mit Ausnahme von H., der wirklich nie Kaffee kochte, aber als erster in der Teeküche erschien, wenn es nach frischem Kaffee duftete.

Meine Kurzschlussreaktion zum Weltfrauentag

Das konnte ich ihm nicht durchgehen lassen. Kurzerhand (ich weiß dann immer nicht, was mich antreibt, aber egal) trat ich neben ihn, legte meine – rechte – Hand auf seinen Hintern, sah ihm ins Gesicht und sagte: „Nö“. Dabei dachte ich mir: ‚Wenn Du den Macho raushängen kannst, kann ich das auch.‘ Alle im Raum hielten die Luft an. H. blieb äußerlich ungerührt, ließ aber durchaus kokett seine Gesäßmuskeln unter meiner Hand spielen. Endlich löste sich einer der Kollegen aus seiner Schockstarre. „Susanne“, stieß er hervor, „heute ist doch gar nicht Weltfrauentag!“ Und H. antwortete: „Die, die hat doch das ganze Jahr Weltfrauentag.“ Wieder Gelächter, wieder auf seine Kosten, aber immerhin hatte er mit seiner Bemerkung dazu beigetragen.

Wo liegt der Unterschied?

Das ist nun schon eine sehr lange Zeit her. Bestimmt zehn bis 15 Jahre. Heute ist Weltfrauentag und ich denke wieder daran. Es fühlt sich immer noch gut, es diesem Macho gezeigt zu haben. Und wer immer jemals Underdog war, lacht befreit auf, wenn ich davon erzähle.

Wobei es sehr viele Frauen (die mit guten Verdienst vor allem) gibt, die dann politisch total korrekt sein wollen und meinen, man dürfe nicht Gleiches mit Gleichem vergelten. Dabei schauen sie allerdings nicht tief genug: Ich konnte damals gar nicht Gleiches mit Gleichem vergelten. Erstens hätte H. sich nie getraut, mir an den Hintern zu fassen. Und: Ich habe gegen das Machtgefälle, von unten nach oben agiert, während Hardy Weinstein seine Macht von oben nach unten missbrauchte.

Vielleicht neiden sie mir auch nur meine bisweilen drastischen spontanen Einfälle ungeklärter Herkunft (als Christin mache ich dafür den Heiligen Geist verantwortlich. Und danke ihm.)

Wäre schön, wenn uns das weiter bringen würde

Was bei solchen Betrachtungen ganz in Vergessenheit gerät: Der Frauentag ist ein Kampftag. Und der Kampf um Gleichberechtigung und die Emanzipation von Arbeiterinnen ist noch lange nicht ausgekämpft. Auch wenn ich mich heute nicht mehr ausbeuten lasse. Wir müssen ihn jeden Tag kämpfen. Dass wir endlich die gleichen Chancen bekommen, wenigstens, wenn schon nicht dieselben.

Und es wäre so schön, wenn sich die Männer gegen meinen Anspruch genauso wenig wehren würden wie H. gegen meine Hand auf seinem Hintern.

© Susanne Böhling

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Glückwunsch Gustaf!

WArum ich mir selbst einen GEfallen tue, wenn ich dem neffen gratuliere

Vielleicht fehlen mir ja die großen Gefühle und die großen Begegnungen – in meinem Leben sind es oft die kleinen, scheinbar flüchtigen, die ihm die rechte Würze geben.

Gustaf, beispielsweise, habe ich bewusst nur einmal gesehen. Er ging damals noch nicht zur Schule. Auf der Trauerfeier für meinen Onkel, seinem Großvater. Dessen Frau und Töchter (meine Tante und die Cousinen) hatten sich nach dem Beerdigungskaffee im Dorfgemeinschaftshaus in der Stube eingefunden, öffneten die Beileidskarten und hielten eine Nachbesprechung: Wer … wie … wann … hast du nicht gesehen …

Gustaf Foto: Privat

Daran konnte ich mich leider nicht beteiligen. Wer … wie … ich hatte dazu weder Gesichter noch Geschichten, denn das Dorf meiner Vorväter – und Onkels – ist nicht das meine. Nach Hause fahren ging auch nicht, es war zu weit, ich musste auf den nächsten Morgen warten, um aufzubrechen. Und so langweilte ich mich ein wenig. Gustaf langweilte sich nicht. Wobei auch er sich nicht an der Nachbesprechung beteiligte.

Die Basis: Gustaf und ich vertreiben uns gemeinsam die Langeweile

Er hatte kleine Autos dabei, die er mal an der einen und mal an der anderen Stelle auf dem Teppich parkte. Meist standen sie dicht an dicht. Dann bemerkte ich, dass er sie nicht hin und her fuhr – sondern trug. Jetzt rutschte ich zu ihm auf den Teppich und fragte ihn, warum er die Autos nicht fahren ließe. „So“, sagte ich und rangierte erst den LKW an einen anderen Platz, dann einen kleinen VW und dann auch noch den Trecker. Gustaf sah mich an. Mit großen Augen. Und diesem Zweifel im Blick, wenn Erwachsene etwas ungewöhnliches machen, und sie sich nicht sicher sind, ob sie ernst genommen werden oder man sich über sie lustig macht. Nach zwei Platzwechseln mit dem kompletten Fuhrpark schob er die Bedenken beiseite und nun parkten wir die Autos gemeinsam hin und her und die Zeit bis zum Abendbrot verging wie im Flug.

Ich half den Tisch decken, und als wir endlich alle saßen, tönte Gustafs Stimme laut und deutlich über die Tafel: „Die Susanne und ich, wir verstehen uns richtig gut!“ ließ er die ganze Verwandtschaft wissen.

Gustafs Tante zu sein ist nicht nötig, birgt aber Vorteile

Das war so schön und hat mein Herz tief und nachhaltig berührt – wie es bei ansonsten durchaus auch bei flüchtigen Begegnungen der Fall sein kann. Dafür muss man nicht unbedingt gemeinsam an einer Trauerfeier teilnehmen und verwandt muss man auch nicht sein. Das ist auch gut so, denn sein Großvater, der auch mein Onkel ist, stirbt nur einmal Seitdem haben Gustaf und ich uns auch nur noch einmal flüchtig gesehen. Der Vorteil, wenn man verwandt ist: Jedes Mal, wenn seine Mutter, meine Cousine, beispielsweise seine Geburtstagstorte in ihrem WhatsApp-Status postet, denke ich wieder dran. Ich vergesse die Begegnung einfach nicht so schnell wie sonst.

Und dann kann ich ihm sogar noch gratulieren und er freut sich wieder darüber!

Herzlichen Glückwunsch, Gustaf, zu Deinem 11. Geburtstag! Das war ein schönes Telefonat!

© Susanne Böhling

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Mann oder Hund – 1. Kapitel

Ich käme von alleine nie auf die Idee, den Hund als Alternative zu einem Mann zu sehen. Was Theos Bewusstsein anscheinend übersteigt, denn er entwickelt bisweilen eine gewisse Eifersucht.

Konkurrenz belebt das Geschäft

Gestern zum Beispiel, als wir uns von einem jungen Mann auf unserer Runde begleiten ließen. In vorauseilendem Gehorsam machte Theo vor jeder Straßenquerung Halt, setzte sich brav und wartete geduldig auf mein Kommando – wozu ich ihn sonst schon mal wiederholt, vehement oder unter Zuhilfenahme von Bestechung in Form von Leckerli auffordern muss. Gestern schickte er mir in dieser Haltung einen selbstbewussten Blick: „Mache ich das nicht prima?“ schien er zu sagen. Und den jungen Mann hat er durchaus etwas verächtlich, zumindest aber hochnäsig angesehen. „Ich weiß, was sie will und ich kann es auch tun”, war deutlich auf seiner Stirn zu lesen.

Wer kann der kann – und was erwarte ich von wem?

Dass es unterschiedliche Erwartungen geben könnte an einen Mann oder an einen Hund, übersteigt Theos Horizont.

Immerhin hat Theo mich mehr amüsiert als der junge Mann. Und auch heute noch: ich stelle mir gerade vor, wie sich der junge Mann vor jeder Straßenquerung hinsetzt. Und dann bekäme auch der ein Leckerli. Theo allerdings, könnte mir nie von seinen Träumen erzählen.

© Susanne Böhling

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Lässt sich Kirche renovieren?

Parallelen sind rein zufällig

Wie der Zufall manchmal doch spielt: Da erleben wir gerade, wie der massenhafte Missbrauch Schutzbedürftiger und seine von höchster Stelle betriebene Vertuschung die Festen der Kirche erschüttert. Als Gläubiger steht man kopfschüttelnd vor den Zuständen. Sie offenbaren, dass es geweihten Amtsträgern so ernst nicht war und ist mit der Achtung der Kleinen und Schwachen. Ein Riss geht durch die Kirche. Viele fragen sich, inwieweit sie sich allein durch ihre Mitgliedschaft mitschuldig machen und erwägen auszutreten.

Auch St. Dionysius ist marode – das Gebäude

Genau zu dieser Zeit saniert die Pfarrgemeinde Pabst Johannes XXIII. das Gebäude der Dionysius-Kirche. Nur noch scheinbar trugen die starken Säulen sicher die hohen Decken: Man entdeckte unter dem Putz Risse, die auch die Gewölbe betrafen. Würde man sie ignorieren, drohte das Gotteshaus auseinanderzubrechen. Die Folgen wären fatal – nicht nur für die Gläubigen, denen der Ort zum Gottesdienst fehlen würde. Die Stadt würde ihr Wahrzeichen verlieren, die Armen den Platz, an dem Samstags das tägliche Brot verteilt wird, und Menschen, die Ruhe suchen, einen Ort zum Rückzug.

Die Verantwortlichen in der Pfarreispitze und dem Kirchenvorstand haben nicht lange gefackelt und mutig die Sanierung beschlossen.

Ein Gerüst aus tausenden von Teilen trägt die Arbeiter sicher

Renovierung in der Kirche

Damit die Arbeiten durchgeführt werden können, musste ein Gerüst in die Kirche gebaut werden. Auf den ersten Blick: Ein Gewirr aus tausenden mattgrauen Metallrohren. Auf den zweiten Blick erkennt man die kluge Ordnung, in der sie zusammengefügt wurden. Sie tragen die Plattformen und Stege. Auf denen fügen die Arbeiter wieder zusammen, was zusammengehört. Keines dieser hässlichen Rohre, die teilweise beschmiert sind von Beton und Mörtel der vorherigen Baustelle, darf fehlen, soll das Kirchenschiff wieder heil werden.

Das Rohr, das den Boden berührt ist nicht bedeutsamer als das hoch oben, dass die Plattform trägt – und umgekehrt.

Lassen sich Parallelen ableiten, wie Kirche zu reorganisieren sein könnte?

Wenn ich unter diesem Gerüst sitze, im Sonntagsgottesdienst, denke ich, dass wir alle vielleicht das Gerüst sein können, mit dessen Hilfe die Kirche Gottes saniert werden kann. Tausende von unbedeutend erscheinenden Gläubigen, die zusammengefügt tragen, was zur Heilung nötig ist. Wahrscheinlich kann es gar nicht anders gehen.

Eine Herausforderung für uns alle in der Kirche

Aber was bedeutet das „ordentlich zusammengefügt“? Zum einen – das liegt auf der Hand – natürlich, dass keiner in der Gemeinschaft unbedeutend ist. Dass jeder tragen darf, was er zu tragen imstande ist. Das ist eine Herausforderung, denn die Spitzen der Gemeinde sind keine Gerüstbauer. Es gibt keine Tradition, die Gemeindemitglieder so zu betrachten und einzubeziehen. Es gibt auch keine Tradition, nach der sich Mitglieder der Gemeindespitze selbst „nur“ als eines von vielen Gerüstteilen sehen – wo sie doch als Priester am Altar erhaben die Eucharistie zelebrieren oder zu Pfarreiräten und Kirchenvorständen gewählt die Geschicke der Gemeinde mitlenken. Vielleicht gibt es sogar die Angst, dass durch solche Gerüste offenbar wird, wo in uns selbst Risse klaffen, die uns von einem wirklich geschwisterlichen Umgang miteinander abhalten. Der Gerüstbauer hat alle Verbindungen sorgfältig überprüft, ob sie auch wirklich halten.

Selbstkritik und Entwicklungspotential

Und jeder von uns bedarf immer wieder der kritischen Betrachtung, die wir an uns selbst nicht immer leisten können (Wenn wir die Fähigkeit zur Selbstkritik nicht gepflegt haben, könnten wir uns auf vermeintlich heiligen Vorbilder der Kirchenspitze beziehen, die inzwischen als scheinheilig enttarnt sind). Nicht immer wird diese Kritik in der rechten Art und Weise geäußert. Aber wenn wir nachfragen und sie nicht von uns weisen, dringen wir vielleicht durch zu dem Punkt, an dem wir Nutzen aus ihr ziehen können. In der Gewissheit, Gottes geliebte Kinder zu sein, wird sie uns nur dann aus der Bahn werfen, wenn wir ohnehin schon geschwächt sind. Ansonsten können wir uns geschwisterlich stützen und helfen und uns zusammenfügen zu dem tragfähigen Gerüst, auf dem Risse in der Kirche zusammengefügt werden können.

Ästhetik und Symbolik passen für mich zur Situation in Kirche und Gesellschaft

Diese Gedanken und Empfindungen ziehen durch mein Gemüt, während ich im Sonntagsgottesdienst das Gerüst betrachte. Meine Blicke klettern die Gerüste hinauf und hinunter, wandern nach rechts und nach links. Allmählich beruhigen sich meine Gedanken, mein Blick bleibt hängen an den Knotenpunkten. Irgendwann erkenne ich die Kreuze, die sie abbilden, wenn zwei senkrechte und die vier waagrechte Rohre sich in einem Punkt treffen, Kreuze bilden – je eines in jeder der drei Dimensionen.

Das ist auch ein Versprechen. Dass unser Glauben bei der Renovierung hilft. Und Renovierungen bedarf nicht nur die Kirche. Die gesamte Gesellschaft, das Zusammenleben der Menschen auf diesem Planeten bedürfen der Erneuerung.

Das Kreuz im Gegenlicht
Das Kreuz im Gegenlicht © Susanne Böhling

Theos Pulli

Das Material: Wolle und Nadeln

Ich habe Wolle gekauft – richtige Wolle, also 100 Prozent Wolle, weil die am besten die Temperatur ausgleicht. Der Hund soll ja keinen Hitzestau erleiden, er kann sich den Pulli ja nicht selbst ausziehen. Und sie fühlt sich auch nicht kalt an, wenn sie nass wird. Frau Krause, in meinem Lieblingswollladen in Krefeld Uerdingen, hatte noch einen Rest einer Partie, die sie mir günstig überlassen hat. 200 Gramm für Nadelstärke 5 haben gereicht. Ein weiterer Vorteil von Wolle: Hat sich Theo bei feuchtem Wetter den Bauch eingesaut, dann muss ich den Pulli nur trocknen lassen und ausschütteln, dann ist alles wieder schick. Allerdings habe ich auch nicht so megaempfindliche Farben genommen, sondern schön gedeckt, Erdfarben, passend zum Terrier, der ist ja ein Erdhund (nein, Terrier kommt nicht von Terror, auch wenn sie bisweilen einen derartigen Eindruck hinterlassen).

Später habe ich in meiner Knopfkiste gekramt, vier passende Knöpfe gefunden. Und Gummiband gekauft.

Exakte Maße

Exakte Maße oder sogar Maschenangaben kann ich Euch leider nicht machen. Da müsste man anfangen mit Maschenproben und so Zeugs. Aber ich bin keine Anleitungsschreiberin oder Strickredakteurin. Ich will den Theo jetzt auch nicht hochscheuchen, um zu messen oder ihm den Pulli ausziehen, er mag ihn gern, jetzt, wo er so nackt getrimmt ist. Und ich halte Euch alle für ausreichend kreativ und pragmatisch, dass ihr das auch so hinbekommt. Über Beweisfotos in den Kommentaren freue ich mich.

Theos Pulli - Gemütlich warm
Theo ist frisch getrimmt und friert natürlich um diese Jahreszeit. Daher mag er den Pulli und ich bringe es nicht fertig, ihn auszuziehen um Maß zu nehmen. © Susanne Böhling

Am Anfang stand der Rollragen

Ich bin von Theos Maßen ausgegangen. Ihr könnt sie für Eure Hunde anpassen.

Angeschlagen habe ich 68 Maschen für 34 cm Halsumfang, die zur Runde geschlossen und 20 Reihen lang im Wechsel 2 Maschen rechts und 2 Maschen links gestrickt. Wenn Euer Hund einen längeren oder kürzeren Hals hat, könnt ihr weniger oder mehr Reihen stricken, wenn er stärker oder dünner als 34 cm ist, dann eben mehr oder weniger Maschen anschlagen.

Rollkragen für Theos Pulli
Theos langer Hals kommt mit Rollkragen gut zur Geltung. Oder der Rollkragen an Theos langem Hals

Weiter geht’s in zwei Teilen

Danach habe ich das Gestrick teilen, in einen Teil für den Brust und Bauch und einen für die Schultern und den Rücken. Es wird dann in Reihen gestrickt. Die beiden Teile werden später am Hund mit Knöpfen geschlossen, dann muss er seine Pfoten nicht durch irgendwelche Löcher quetschen, Theo findet das doof. Dann wird er ganz steif und die Ohren gehen nach hinten.

Zwischen den Vorderläufen spannt der Pulli etwas. Nächstes Mal werde ich das Brustteil breiter arbeiten. © Susanne Böhling

Die Partie über die Brust und den Bauch habe ich weiterhin 2 rechts 2 links gestrickt. Dadurch bleibt das Teil dehnbar und passt sich gut dem Körper an.

Als ich damit den Hals, die Brust entlang und auch noch an den Vorderläufen vorbei war, habe ich an jeder Seite 6 Maschen aufgeschlagen und auf jeder Seite 2 Knopflöcher eingestrickt. Wenn dieses Teil das Ende des Brustkorbs erreicht – abketten. So bleibt ein bisschen Bauch frei, damit Theo sich nicht bepinkelt. Bei Mädchen kann man vielleicht weiter stricken, mit drei Knopflöchern auf jeder Seite. Im Endeffekt ist das Teil bei diesem Pulli genauso lang geworden wie das Rückenteil.

Hier geht’s zur Anleitung für Knopflöcher.

Schulter und Rücken glatt rechts

Die Partie für Schulter und Rücken habe ich glatt rechts gestrickt, also Hinreihe rechts, Rückreihe links. Natürlich könnte man hier auch alles andere einfügen: Zöpfe, Perlmuster, der Phantasie und dem Können sind keine Grenze gesetzt.

Dabei habe ich für die Schulter am Anfang und Ende der Hinreihe jeweils eine Masche zugenommen, damit ich dann auf Theos Brustumfang komme, 54 Zentimeter. Ausgerechnet habe ich, dass ich in 15 Reihen zunehmen muss, aber jetzt sehe ich dass das zu viel war. Beim nächsten Pulli werde ich nur 10 oder 12 mal zwei Maschen zunehmen.

Am Ende des Brustkorbs habe ich dann am Anfang und Ende jeweils zwei Maschen zusammen gestrickt und auf der Höhe des Rutenansatzes alle Maschen abgekettet. Zwei oder drei Zentimeter vorher bin ich wieder auf 2 rechts 2 links umgestiegen, dann rollt sich der Rand nicht, zieht sie leicht zusammen, das sitzt sehr gut, damit bin ich zufrieden. Zur Sicherheit habe ich noch zwei Gummibänder befestigt, die über die Hinterläufe gezogen werden, damit es nicht verrutscht.

Theos Pulli von hinten
Der Rand sitzt perfekt über dem Rutenansatz. Hier sind auch die Gummibänder sichtbar, die den richtigen Sitz garantieren. © Susanne Böhling

Jetzt noch über der Brust die Teile für Brust und Bauch sowie Schulter und Rücken ein Stück weit zusammen nähen, ungefähr so lang wie die Schulterschräg geht. Dann die Knöpfe an den richtigen Stellen platzieren und fertig ist der Pulli – oder soll man besser Jacke sagen, wegen der Knöpfe.

© Susanne Böhling

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Hundeerziehung

Theo war gut erzogen

Was war ich froh, dass Theo seine Grundausbildung bereits absolviert hatte! Keine geplünderten Mülleimer, keine Ansprüche auf einen Sofaplatz und auch keine von kleinen Hundezähnen zerstörten Pumps.

Das war Fakt, als er vor gut fünf Wochen zu meinem Mitbewohner wurde.

Zuerst mag Theo nichts was Menschen essen

Und er mochte auch nichts, was Menschen essen! Das erste Stück Käse, dass ich ihm anbot, quittierte er mit verwundertem Gesichtsausdruck: „So etwas isst Du?“ Schien er zu sagen und wandte sich angeekelt ab. Die erste Mandel – ein Hochgenuss für meine Irish-Terrier, die ich früher mal gezüchtet hatte – nahm er zwar, lutschte darauf herum und spukte sie mir anschließend vor die Füße. Einzig die Fleischwurst rief positive Reaktionen hervor. Sie ist nach wie vor das ultimative Argument sich freiwillig schwanzwedelnd in die Transportkiste zu begeben, in die er sich zurückziehen muss, wenn ich ohne ihn das Haus verlasse.

Hundeerziehung am Kochschinken

Doch dann erwischte ich ihn, wie er mir den Kochschinken von meinem Teller klaute, den ich mir fürs Frühstück auf dem Balkon zurechtgelegt hatte. Also gut, ich mache jetzt das Frühstück in der Küche fertig, bringe das komplett beladene Tablett auf den Balkon und fange sofort an zu essen – dann hat Theo keine Chance, mir etwas vom Teller zu klauen.

Hundeerziehung am Mülleimer

Inzwischen steht er sogar manchmal vor dem Mülleimer, seine Nase wandert höher und höher, über den Rand hinweg und senkt sich langsam ins Innere … leider verrät ihn dabei die knisternde Plastiktüte, mit der ich den Mülleimer auskleide … und dann unterbreche ich ihn auf seiner Forschungsreise mit einem scharfen, drohenden „Nein!“ Das natürlich nicht ein für alle Mal gilt. Aber ich kann ja die Küchentür zumachen.

Pantoffel – immerhin keine Pumps

Als er mal wieder durch die Wohnung schlenderte auf der Suche nach Abwechslung (die Chefin ist manchmal ätzend, sie sitzt an diesen Bildschirmen und ihre Finger klimpern auf so ein schwarzes Ding, anstatt sein Fell zu kraulen) müssen ihn wohl meine Pilzpantoffel in die Nase gestochen haben. Ich habe die Angewohnheit, sie bei vielen Gelegenheiten von den Füßen gleiten zu lassen, weil ich sie ungemütlich finde oder sie mir zu warm sind. Riechen tun sie daher sicher nicht …

Gegenargument Leckerli

Ein Beweis dafür: Theo musste seine Nase gaaanz tief reinstecken. So, dass seine lange Schnauze komplett darin verschwand und nur noch seine Augen und Ohren hervorlugten. Das sah unglaublich niedlich aus. Allerdings machte er sich anschließend mit seinen Zähnen an der Sohle zu schaffen. Was ich ihm natürlich nicht durchgehen lassen konnte. Doch bevor ich für einen Anpfiff Atem holte, besann ich mich darauf, ihn zu locken und ihm den Schuh dann abzunehmen. Also holte ich ein Leckerli und rief mit Zuckerstimmchen „Theo, Apport!“ Da der Hund unglaublich verfressen ist, reagierte er prompt, trabte er auf mich zu und ließ auf „Aus!“ den Latschen fallen. Logisch! Latsch und Leckerli passen nicht gleichzeitig ins Maul. Und weil das so gut lief, schnappte er sich jetzt den Zweiten …

Hundeerziehung braucht Ausdauer

Und so geht das immer mal wieder. Wenn ihm langweilig ist, ich ihn nicht ausreichend beachte oder er Lust auf ein Leckerli zwischendurch hat. Inzwischen hat er mich so weit erzogen, dass ich die Latschen möglichst nicht mehr stehen lasse, sondern immer sofort wegräume, wenn ich sie ausziehe. So wie ich die Pumps schon immer beim Betreten der Wohnung ins Schuhregal gestellt habe.

Hundeerziehung macht Spaß

Gestern kamen wir vom Spaziergang zurück, ich hatte die Sneakers gerade ausgezogen und war dabei die Leine aufzuräumen, da schnappte er sich den ersten Schuh … und dann den zweiten …, beide stopfte ich anschließend zu einem Haufen anderer Wäschestücke in die Waschmaschine, holte das Waschpulver und sah dann, dass Theo seinen Kopf in die Maschine gesteckt hatte.

Ja, diesmal schleckte er nicht das Wasser aus der Dichtung, sondern steckte bis über beide Ohren in der Trommel. Reckte sich, setzte eine Pfote in die Trommel, die zweite … gebannt beobachtete ich ihn. Und sah, wie er mit einem Sneaker im Maul wieder ans Licht kam. Den er natürlich sofort voller Stolz ins Wohnzimmer brachte, seine Beute ordentlich schüttelte und diesmal war es gar nicht so leicht, ihn zum Apport zu bewegen, so sehr wie ich lachen musste.

Der Hund muss aufs Sofa

Ja, und den Sofaplatz habe ich ihm freiwillig eingeräumt. Der Bezug ist durch eine Decke geschützt. Schließlich soll mein Hund beim Fernsehen neben mir liegen, damit ich ihn bequem streicheln kann.

Gemütlich © Susanne Böhling
Gemütlich © Susanne Böhling

Und fragen Sie bitte nicht, wer hier wen erzieht.

© Susanne Böhling

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Theo, Hund mit Vergangenheit

… und die holt ihn manchmal ein

Die Kinder sind groß und die Midlife-Crisis naht

Bis Theo zu mir kam, fristete er ein Leben als Deckrüde. (Erzähle ich das in traurigem Ton, bedauern ihn die meisten Menschen. Das „Ohhh“ scheint aus tiefster Seele zu kommen. Und nicht alle fangen nach einer kleinen Denkpause an zu kichern.) Aber dann waren die Kinder groß sprich: Alle Hündinnen im Zwinger waren seine Töchter, also hätte es für ihn nichts mehr zu tun gegeben und bevor er dann in die Midlife-Krise geriet und sich eine Harley kaufen wollte, durfte er bei mir auf dem Teppich ein neues Leben beginnen.

Doch bisweilen holt ihn seine Vergangenheit ein. Als Naturbursche vom Land brauchte er sich um seinen Fortpflanzungstrieb keine Sorgen zu machen, die Mädels kamen reihenweise zu ihm und er erfüllte seine Pflicht zuverlässig.

Tja.

Tempi passati.

Das Problem mit dem Grün

Um ihn daran zu gewöhnen, sich auf Grün und nicht nur auf Beton oder Asphalt zu lösen, führte ich ihn immer an einem Grünstreifen aus, der anscheinend auch von zahllosen Hundehaltern genutzt wird. Da kam er aus dem Schnüffeln gar nicht heraus. Er konnte sich da aufhalten! Und ich mir die Beine in den Bauch stehen! „Zeitung lesen“ habe ich mir zu Anfang gedacht. Das macht auch so mancher Mensch, um sich beim Toilettengang zu entspannen und ich habe ihm das Vergnügen 100 Meter oder 15 Minuten lang gegönnt. Manchmal hat er seine Nase ganz besonders tief in das eine oder andere Grasbüschel versenkt und ließ sich kaum weiter bewegen .

Seinen Haufen hat er trotzdem erst dann gemacht, wenn wir ein paar Meter auf Asphalt und Beton unterwegs waren. Das ist eigentlich nicht so schlimm, dann lässt es sich leichter mit der Plastiktüte aufheben, als wenn man es aus Grasbüscheln herausfriemeln müsste. Aber es ist peinlich.

Das Problem mit dem Häkelfuß

Später hatte ich dann den Salat. Denn der Grünstreifen scheint nicht bloß eine Zeitung zu sein. Er ist das Internet! Und Theo war da besonders gern auf Pornoseiten unterwegs. Zuhause angekommen leckte er mir erst ausdauernd und mit Hingabe die Beine bis hinauf zu den Knien. Anschließend verwandelte sich sein wirklich kerzengerader Vorderlauf in eine Art Häkelnadel, bemüht, mein Bein unter sich zu ziehen, den Rücken krumm zu machen … in eindeutiger Absicht. „Nein!!!!!“ herrschte ich ihn laut und streng an. Er sah mich mit seinen treuen dunklen Augen an und schien zu sagen: „Willst Du es nicht auch?“ Ihn vom Gegenteil zu überzeugen war nicht immer so einfach. Distanzieren sich Menschenmänner prompt und zuverlässig bei „Jetzt reicht’s“, musste ich Theo bisweilen in anderes Zimmer verbannen, bevor er sich beruhigen konnte. (Der Häkelfuß fährt im übrigen auch bei anderen Rüden aus, so sie in seine Nähe kommen.)

Was im Licht der frühen Sonne so idyllisch aussieht, hat es Theo-technisch in sich …

Das Problem in der Fußgängerzone

Jetzt lasse ich ihm am Grünstreifen nicht mehr so viel Zeit und wenn er wieder auf Pornoseiten stößt, ziehe ich ihn mehr oder weniger sanft weiter. Ich habe auch schon andere Wege ausprobiert oder den Grünstreifen ganz weggelassen. Er macht weiterhin auf Beton und Asphalt und es ist weiterhin peinlich, wenn das in der Fußgängerzone von vielen Menschen beobachtet wird. Oder sogar auf den Bahnsteig. Das ist dann besonders peinlich. Aber immer noch besser, als Theo ins Internet zu lassen.