Beim Besuch der Andreas-Gursky-Ausstellung in Düsseldorf musste ich an einen Vers von Bertold Brecht denken.
Auf den ersten Blick sind es die riesigen Formate, die mich beeindrucken bei der Ausstellung von Andreas Gurskys Werken, die noch bis zum kommenden Sonntag im Museum Kunstpalast in Düsseldorf hängen.
Dann ist es die Weigerung, Klischees zu bedienen. Das einzige Foto aus dem industriell geprägten Ruhrgebiet ist das von der Ruhr in Mülheim, idyllisch bewaldet, mit Anglern unauffällig am Ufer. Das Foto aus Paris zeigt nicht die prunkvollen Schokoladenseiten, sondern einen öden Plattenbau in Montparnasse, der genauso gut in Ostberlin hätte stehen können. Doch auch der ist farbig und lebendig. Dank des großen Formates kann man auf den Balkonen die Menschen entdecken, ihr alltägliches Treiben, die Spuren, die das hinterlassen hat und das versöhnt mit der scheinbar unentrinnbaren Eintönigkeit der Architektur. Ein Spagat, der die riesigen Formate fordert.
Mit dieser Sichtweise setzt sich Andreas Gursky von seinen Lehrern ab. Bernd und Hilla Becher, die Begründer der berühmten Düsseldorfer Photoschule zeigten skulptural unbelebte Architektur.
Die Menschen hinterlassen auch ihre Spuren vor der Eiger Nordwand. Wie eine stark befahrene Autobahn ziehen sich die Ski-Langlauf-Loipen durch das Tal vor der sonst so grandios einsamen Berglandschaft.
Dass es ihm um „den Menschen“ geht, zeigt sich meiner Meinung nach schon im Bild „Gasherd“. Es stammt aus dem Jahr 1980, das früheste seiner hier ausgestellten Werke. Der Herd steht das schlicht und neutral, weißemailliert vor weißer Wand. Auffällig nur, dass die Herdflammen brennen – ohne dass ein Topf darauf stünde. Brecht kommt mir unweigerlich in den Sinn:
Ein Foto aus dem Jahr 2008 zeigt die Waschkaue im Bergwerk Ost in Hamm. Jeder Bergmann legt die Sachen, die er momentan nicht benötigt, in einen Eisenkorb und zieht den an einer Eisenkette an die Decke des Umkleideraumes. Aus der Ferne verschmelzen sie zu einem Muster, einer Geometrie, aus der Nähe betrachtet erkennt man jedes kleinste Detail als Zeugnis der Individualität seines Besitzers. So verfährt Gursky mit Müllbergen, dem Strand in Rimini, der Spargelernte in Beelitz (bei Berlin), dem Flughafen in Frankfurt und der Börse in Tokio.
Spuren des menschlichen Eingreifens in die Landschaft reduzieren sich bei ihm bisweilen zum Ornament, wie die Formel-1-Rennstrecke in Bahrain oder sie verschwinden – bei der Ocean-Serie, Blicken auf Meer und Inseln aus großer Höhe. Auch wenn einen auf dem Bild „Katar“ der golden glänzende Raum gefangen nimmt: Mittelpunkt ist nach meinem Empfinden der Mensch, der darauf winzig klein unter einem milchigen Zelt seine Arbeit tut.
Die neuesten Werke, Bangkok, zeigen Licht auf schwarzem Wasser, kleine Ausschnitte, riesig vergrößert, entsprechend der Wirkung, die solche Reflexe in der Natur auf den Betrachter haben. Bei näherer Betrachtung sieht man Moose und Pflanzenteile, Müll und erkennt: „Das Wasser ist dreckig. Aber das Licht bleibt grandios.“
Ich bin mir sicher, dass Gurskys Triebfeder das Staunen ist, das er bei allem Erfolg noch nicht verlernt hat. Er teilt es mit uns.