Die Krawatte als Symbol der Männlichkeit ist abgeschnitten eine heißbegehrte Trophäe für die Frauen am Altweiber-Donnerstag. Doch was passiert, wenn sich eine Frau als Mann verkleidet? Ich machte den Test.
Von Susanne Böhling
Nein, ich hatte keine Lust zu feiern, in diesem Jahr an Karneval. Aber an Altweiber, da bot sich die Gelegenheit, mit Sylvia loszuziehen, mit der ich lange nicht mehr aus gewesen war und so ließ ich mich motivieren. Als sie nachmittags bei mir erschien, hatte sie bereits eine abgeschnittene Krawatte am Rockbund ihres Kostüms. Da wurde mir wurde etwas mulmig.
An Alt-Weiber als Mann verkleidet
Der Grund: Ich hatte auch keine Lust, mir ein aufwändiges Kostüm auszusuchen oder zu beschaffen, und hatte also auf die Idee, mich als Kerl zu verkleiden. Die müssen sich nicht schminken oder versuchen, ihren Bauch geschickt zu kaschieren, die ziehen sich an – „gut is“ – und los. Mein Bruder Uwe gab mir seinen Nadelstreifenanzug, Neri – meine liebe Friseurin – gelte mir meine Haare entsprechend, das schmale Bärtchen malte ich mir mit Augenbrauenstift auf die Oberlippe. Peter hatte mir einen – gebundenen – Schlips aus seinem Bestand gegeben. „Wie wird es dem ergehen?“
Keine Gefahr an Karneval
Das war nun die spannende Frage des Abends. Als ich mit Sylvia ins Taxi stieg, Richtung Gleumes, wollte mir der Taxifahrer mit vorderasiatischem Migrationshintergrund sofort den Schlips abschneiden. „Das darfst Du nur, wenn Du Dich als Frau verkleidest“, antwortete ich ihm. „Oder zur Not Damenunterwäsche trägst. Und jetzt gib Gas.“ Die Masse im Gleumes nahm uns herzlich auf, alle freuten sich über unseren Anblick. Die Frauen strahlten und hakten uns zum Schunkeln unter, keine griff nach ihrer Schere.
Zustimmung für das Männerkostüm
„Du hast mich ganz schön verwirrt, mit Deinem Oberlippenbärtchen“, sagte der Mann mit dem bierbenebeltem Blick, der mich aus der Damentoilette kommen sah. Aris, der Oberkellner, hielt mich auf, als wir gehen wollten, und steckte mir einen Schlips zu, den ein Gast hier wohl mal vergessen hatte. Vor der Tür trafen wir auf einen Mann, der als Frau verkleidet war und sich sehr sicher auf hohen Hacken bewegte.
Statt des Verkleidungsspaßes: Fragen nach der sexuellen Orientierung
Im Old Inn ging das Rätselraten weiter: „Ihr seid aber lesbisch!“ versuchte der Mann, der uns aus dem Gleumes hierher gefolgt war, eine Erklärung für unsere ungewöhnliche Erscheinung. Das sprang Melli in die Bresche. Ich kenne sie, Ende 20, aus einer anderen Kneipe. „Das ist meine Adoptiv-Mama und das“ – mit Blick auf Sylvia – „ist meine Tante. Meine Mama hat mich ganz allein durchgebracht und alles, was ich bin, verdanke ich ihr“, tischte sie ihm eine herzzerreißende Geschichte auf. „Und: Sie ist ganz sicher nicht lesbisch. Das wüsste ich ja wohl am allerbesten.“
Wir verabschiedeten uns noch vor Mitternacht und waren uns einig: Es war ein toller Abend und Karneval ist eine gute Gelegenheit für solche Erlebnisse.