von Susanne Böhling
Die Ruhrfestspiele Recklinghausen waren der Aufhänger für den Ausflug
Ein Freund, Norbert Büchel, hat mir einen tollen Tag im Susi-Sorglos-Modus beschert. Im Ruhrgebiet haben wir an unterschiedlichen Stätten unterschiedliche Ausprägungen von Kultur erlebt. Im ersten Teil des Beitrags geht es um die Kultur des Theaters – bei den Ruhrfestspielen Recklinghausen. Dort eine Aufführung zu besuchen war der Ausgangspunkt für den Ausflug.
Aus einer Vielzahl von Aufführungen der Ruhrfestspiele die richtige ausgewählt
Für das Stück WG.Deutschland hatte Norbert schon vor längerer Zeit Karten besorgt. Wobei es der Termin war, nach dem wir uns für die Aufführung mit Akteuren aus einer Bildungsmaßnahme entschieden, die von der Bundesagentur für Arbeit und dem Bildungszentrum des Handels e.V. gefördert wurde. Auf eine Produktion namhafter Bühnen, hochkarätiger Regisseure oder Schauspielstars, die fester Bestandteil der Ruhrfestspiele Recklinghausen sind, haben wir verzichtet.
WG.Deutschland – eine Aufführung mit Laiendarstellern
Wir haben es nicht bereut, uns das Laienensemble in dem Stück WG.Deutschland anzusehen: In der Geschichte geht es um eine WG, in der junge Menschen unterschiedlicher Herkunft und Bildung versuchen, sich zusammen zu leben und dabei über alle Probleme stolpern, die die Zuschauer aus eigener Erfahrung kennen. Die Schauspieler haben sich die Seele aus dem Leib gespielt und Unmengen von Text gelernt. Sie haben sich getraut in die Rolle unsympathischer WG-Bewohner zu schlüpfen, sind auch in den komischsten Situationen ernst geblieben und haben das Lachen den Zuschauern überlassen. Dabei hatte der Autor und Regisseur Franz-Josef Dieken anspruchsvolle politische Statements eingebaut – und sie ironisch brechen lassen. Es war sehr amüsant und der begeisterte Applaus redlich verdient.
Aufführungsort Halle König Ludwig 1 / 2
Schon der Aufführungsort in Recklinghausen brachte mir neue Erkenntnisse: „1/2“ meint nicht „einhalb“ sondern “1 und 2” – benannt nach den Schachtanlagen der ehemaligen Zeche, auf dessen Gelände sich die Bühne befindet. Norbert hat in Bochum studiert und kennt solche Hintergründe. Hier fand ich, was mich immer wieder begeistert: Wie eine Industrie-Anlage morbide Schönheit entfaltet, sobald sie nicht mehr in Nutzung ist.
Ursprünge im Winter 1946 /47
Die ehemalige Zeche zu bespielen ist gewissermaßen Pflicht für die Ruhrfestspiele Recklinghausen, die als das älteste Theaterfestival Europas gelten. Den Ursprung haben im harten Winter 1946 / 47 die Bergleute der Zeche König Ludwig 4 / 5 gelegt, die Kohle als Heizmaterial für die Hamburger Theater an der Besatzungsmacht „vorbeigeschleusten“. Zum Dank kamen die 150 Schauspieler der Hamburger Staatsbühnen nach Recklinghausen und gastierten unter dem Motto „Kunst gegen Kohle“ im städtischen Saalbau. Der Hamburger Bürgermeister Max Brauer hielt eine Rede vor der Belegschaft und entwarf die Idee von einem „anderen“ Festival. Nicht für Literaten oder Auserwählte, sondern inmitten der Stätten harter Arbeit. „Im Kohlenpott vor den Kumpels . . . statt in Salzburg.“ Entsprechend sind auch heute noch die Eintrittspreise gestaltet. In der Lohnhalle von König Ludwig 1 / 2 besuchten damals die Bühnenprofis die Arbeiter zu Gesprächen und Grubenfahrten.