Es war Dienstag, unser vorletzter Tag in Vorarlberg, und es war lausig kalt. Zwar war der Gipfel des Sonnenkopfs nicht mehr mit Schnee bedeckt, wie am Montag, aber ich zog das langärmelige Shirt an und unter der langen Trekkinghose noch die dreiviertellange Laufhose. Und die rote Jacke, aus dem dicken Stoff.
von Susanne Böhling
So gerüstet ließen wir uns mit der Lünerseebahn am Ende des Brandnertals von der Talstation auf 1568 Metern über dem Adriameeresspiegel auf 1983 m ü.A bringen. Dort empfing uns kalte Luft. “Neun Grad”, las Rolf auf seiner Wetterapp.
Der Lünersee als Stromspeicher
Auffällig viele Angler waren in der Gondel, die ursprünglich, in den 50er Jahren, für den Materialtransport erbaut wurde. Damals vergrößerten die Illwerke das Speichervolumen des Sees mit einer Staumauer. Jetzt können hier fast 80 Millionen Kubikmeter Wasser gespeichert werden, mit dem sich mehr als 260 Millionen Kilowattstunden Strom erzeugen lassen.
Der Lünersee als Ziel für Angler
“Hier kann man Forellen fangen”, sagt mir ein Passagier mit Angel. “Und Saiblinge.” Die Fische wurden eingesetzt, durch die Kälte des Wassers im Lünersee werden sie nicht so groß, wie weiter unten im Tal. “Aber sie sind sehr kräftig”, klärt er mich auf. “Ein Fisch mit 25 Zentimetern Länge hier oben ist so stark wie ein 40-Zentimeter-Fisch im Tal.” Außerdem dürfe man hier nur Angelhaken ohne Widerhaken benutzen, weswegen man sehr geschickt sein müsse, um überhaupt etwas aus dem Wasser zu ziehen. Worin der Reiz des Angelns dort oben im Lünersee besteht, der stark genug ist, damit er sich auch bei solcher Kälte und bedecktem Himmel an den Rand des Gewässers stellt.
Mehr als eine Stunde Fußmarsch
Zu unserem Ziel, der Totalphütte, ist es angeblich nur eine Stunde Fußmarsch von der Lünerseebahn. “Angeblich”, denn auch diesmal brauche ich länger. Inzwischen ist mir das allerdings egal. Ich freue mich, dass ich sicher oben ankommen werde, egal wie lange es dauern wird, das meine Kraft reichen wird und dass ich ebenso rechtzeitig für die letzte Talbahn wieder an der Bergstation sein werde. Alles andere ist mir inzwischen gleichgültig.
Stürmischer Wind auf dem Weg zur Totalphütte
Diesmal habe ich jedoch mit dem eiskalten Wind zu kämpfen. Zum einen droht er mir den Hut vom Kopf zu blasen, der zum anderen von dem Hut nur unzureichend geschützt ist. Es zieht auf den Ohren, aber ich kann einen Leinenschal um den Kopf und die Ohren wickeln. So sitzt gleichzeitig der Hut etwas fester. Doch der Wind ist zwischenzeitlich so stürmisch, dass ich den Hut mit einem weiteren Tuch unter dem Kinn festbinde. So ist mein Kopf schön warm – und die übrigen Wanderer haben etwas zu schauen.
Einkehr in der Totalphütte
Wegen der Kälte ist an einer Rast im Freien nicht zu denken, bei der wir unser mitgebrachtes Proviant essen könnten.
Deswegen stärken wir uns in der Totalphütte mit einer leckeren, heißen Speckknödelsuppe. Was man heute wegen der Wolken nicht sehen kann: Hier in der Umgebung finden sich viele Klettersteige und so ist die Hütte eine beliebte Übernachtungsmöglichkeit für Kletterer.
Ein neuer Weg mit schönen Ausblicken
Auf dem Weg zurück zur Bahn wähle ich eher versehentlich einen Abzweig, der uns noch eine ganze Weile lang über die Hänge der Berge führt. “Der Weg ist in der Karte noch gar nicht ausgewiesen”, stellt Bergführer Rolf fest.
Wir freuen uns über die Alternative, die uns doch schöne Ausblicke auf den Lünersee und die umgebenden Berge erlaubt. Die Wolkendecke zeigt Lücken, die Sonne zaubert türkisblaue, glitzernde Flächen auf den See. Einen Anblick, an dem ich mich nicht satt sehen kann.